Befreite Häftlinge nach der Befreiung
des KZ Wöbbelin, eines Außenlagers
des KZ Neuengamme am 2. Mai. 1945
Leider ist es ja nicht so, dass man sicher sein kann, dass nicht irgendwo Krieg und Verfolgung stattfinden. Dieses muss heute und in Zukunft durch die Jüngeren verhindert werden. Dafür brauchen diese aber einen Ort wie die Gedenkstätte Neuengamme, wo sie Auskünfte und Mut für ihr Engagement finden können.
Villy Mørk Jensen, ehemaliger Häftling des KZ Neuengamme
Inferno bis zum letzten Tag
Über das KZ Neuengamme
Deportierte aus allen besetzten Ländern Europas mussten im KZ Neuengamme und in seinen mehr als 80 Außenlagern Schwerstarbeiten für die Kriegswirtschaft leisten. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen waren mörderisch.
Bis 1945 wurden im KZ Hamburg-Neuengamme 106.000 Häftlinge geschunden, mehr als 55.000 von ihnen starben. Noch in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges starben zahlreiche Menschen: Am 21. April 1945 erhängten SS-Leute 20 jüdische Kinder, an denen medizinische Experimente vorgenommen worden waren. Zwischen dem 21. und 23. April wurden 13 Frauen und 58 Männer wegen Widerstands gegen die Nazis hingerichtet. Am 3. Mai, dem Tag der Kapitulation Hamburgs, kamen rund 7000 KZ-Insassen auf Schiffen in der
Neustädter Bucht bei britischen Bombardements ums Leben. Das Lager in Neuengamme, das als einziges der großen KZ-Hauptlager vollständig geräumt wurde, endete in einem Inferno.
Zunächst als Außenlager des Konzentrationslagers Sachsenhausen (Brandenburg) angelegt, wurde das rund 70 Hektar große Gelände des KZ Neuengamme 1940 selbstständig und mit 80 Außenstellen eines der größten norddeutschen Lager. Viele Häftlinge mussten unter unmenschlichen Bedingungen im Klinkerwerk auf dem Lagergelände und am Ausbau der Dove Elbe (Bild links) arbeiten. Andere wurden in der Rüstungsindustrie eingesetzt, mussten die Trümmer von Bombenschäden wegräumen oder Panzerschutzgräben bauen.
Die meisten Insassen waren Ausländer, unter anderem aus Russland (34.350), Polen (16.900), Frankreich (11.500), Holland (6900), Dänemark und Belgien (je 4800) sowie Norwegen (2200). Gerettet wurden Ende April 1945 mehrere tausend skandinavische Häftlinge, die vom Schwedischen Roten Kreuz in Sicherheit gebracht wurden.
Fritz Brinkmann erinnert sich
"Auf diesem Appellplatz wurden Häftlinge vor den Augen der gesamten Lagerbelegschaft erhängt, gedemütigt, indem man sie zur Strafe auf einem Block fest schnallte und auspeitschte. Hier fanden oft stundenlange Zählappelle bei sengender Sonne oder schneidender Kälte statt", erinnert sich der 87-jährige frühere KZ-Häftling Fritz Bringmann.
"Ich möchte, dass nachfolgende Generationen wissen, was damals geschehen ist, damit es nicht in Vergessenheit gerät", sagt der freundliche alte Herr, der auch Landesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes war. Unermüdlich hat er jungen Menschen von seinen Erlebnissen berichtet, "damit so etwas nie wieder passiert". Mit 17 Jahren wurde er das erste Mal von der Gestapo verhaftet, gefoltert und später in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Neuengamme inhaftiert. Wegen seiner kommunistischen Vergangenheit stand er in den 50er Jahren mehrmals vor Gericht. Erst im Jahr 2000 endete eine politische Affäre um die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes.
Jahrzehntelang hatten die Überlebenden keine Möglichkeit, dort ihrer Kameraden zu gedenken: der Platz war Teil eines Gefängnisgeländes, das am 6. September 1948 eingerichtet worden war. Im Jahr 2003 endlich gab eine Gedenkveranstaltung auf dem ehemalige KZ-Gelände unter dem Motto "Neuengamme enfin libéré (Neuengamme endlich befreit)" die Gefühle der Ex-Häftlinge angesichts der jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um diesen Ort wieder.
"Mit Mauern und Stacheldraht wirkte es immer wie: das KZ gibt es noch", meinte der 81 Jahre alte belgische Neuengamme-Überlebende Walter Risa. Für den 78-jährigen Polen Janucz Kahl war das Gefängnis auf dem KZ-Gelände ein "Dorn im Leib" und eine "Schändung der Opfer". Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) räumte damals ein: "Viel zu lange haben wir den Überlebenden nicht die Freiheit eingeräumt, zu entscheiden, was die einzig würdige Form des Gedenkens ist".
Bereits 1989 hatte der Senat beschlossen, die Justizvollzugsanstalt (JVA) zu verlegen. Unter Vorsitz des damaligen Bürgermeisters Henning Voscherau (SPD) erarbeitete eine Kommission Empfehlungen zur Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte, die 1993 von Senat und Bürgerschaft gebilligt wurden und bis heute Planungsgrundlage sind. Doch die für 1995 geplante Gefängnisverlagerung ließ auf sich warten. Nach organisatorischen und finanziellen Problemen in SPD- Regierungszeiten stellte die neue Koalition aus CDU, Schill-Partei und FDP den Beschluss im Oktober 2001 sogar grundsätzlich wieder in Frage. Es gab eine bundesweite Woge der Entrüstung. Im Gespräch mit Vertretern von Verfolgten-Verbänden versprach der Senat schließlich: "Die JVA kommt 2003 weg." Zum 30. Juni zogen die Gefangenen in die neue JVA Hamburg-Billwerder um.
"In kaum einer anderen Gedenkstätte sind heute noch so viele ehemalige KZ-Gebäude erhalten wie in Neuengamme", sagt der Leiter der Gedenkstätte, Detlef Garbe. Es gebe 15 größere Bauten wie Häftlingsunterkünfte, Teile des Lagers für Wachmannschaften und ein Klinkerwerk mit insgesamt 41.000 Quadratmetern umbauten Raumes.
Wo seit 1965 nur ein Mahnmal und seit 1995 ein Haus des Gedenkens neben den Gefängnismauern an die KZ-Gräuel erinnerten, soll ein Ausstellungs-, Begegnungs- und Studienzentrum entstehen. Zum 60. Jahrestag der Befreiung soll es eröffnet werden. Auch Fritz Bringmann, der zehn Jahre in Neuengamme saß, blickt nach vorn: "Ich war im KZ, weil ich gegen die Menschenrechtsverletzungen des Nazi-Regimes protestiert habe. Neuengamme soll nun ein wirklicher Lernort für junge Menschen werden - für die Menschenrechte und gegen den Krieg."
Beschreibung
Beschreibung
Stoffstreifen mit der Häftlingsnummer und dem roten Winkel von Antonia C. aus Warschau die 1944 in Neuengamme inhaftiert wurde.
Zeichnung vom Häftling Hans Peter Sörensen
Zeichnung vom Häftling Viktor Glysing Jensen aus dem Jahr 1945 „Sechs Kapos treten und verspotten einen Häftling“
Häftlingsunterkünfte 1940/41
Zeichnung vom Häftling Hans Peter Sörensen
Häftlinge beim Bau eines Wachturms 1940/42
Beschreibung
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Einer der weißen Busse des dänischen Roten Kreutzes bei der Ankunft in Schweden
Beschreibung
Ansprache im SS Garagenhof an die
Wachmannschaft am 9. November 1943